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Bloß keine Tränen im Job! Mein Lernmoment über Authentizität & Verletzlichkeit in der Führung

Brigitte Platzer-Huber Authentische Fuehrungskommunikation Authentizität Verletzlichkeit

Die eigene Verletzlichkeit annehmen, offen darüber sprechen und sich in seinem Führungsverhalten authentisch zeigen. ECHT sein. Also das Fühlen, Denken, Sprechen und Handeln in Einklang bringen.

Das ist es, was vielen Führungskräften schwer fällt! Auch in meiner eigenen Führungskarriere gab es den ein oder anderen schmerzlichen Lernmoment (mehr dazu unten im Artikel), der mich zu dem Schluss führte, dass die persönliche Entwicklungsreise in Richtung Authentizität sicherlich nie abgeschlossen sein kann.

Authentische Führungskommunikation: Stolpersteine & Chancen

Warum also fällt es Führungskräften schwer, echt und authentisch zu kommunizieren? Das eigene Ego steht im Weg, unsere Glaubenssätze blockieren uns, es fehlt ein Bewusstsein für die eigenen Werte, wir haben Angst nicht zu genügen, wollen nicht abgelehnt werden… um nur einige Beispiele für Authentizitäts-Stolpersteine aufzuzählen.

Doch im Inneren spielen sich Dialoge ab, die manchmal so klingen: “Ich darf doch nicht sagen, wie es mir wirklich damit geht” oder so: “Wir sind im Krisenmodus – ICH muss die oder der Starke sein!”. Dann strengen wir uns an, performen was das Zeug hält, um ja keine Schwäche zu zeigen, das ECHTE zu verbergen und Emotionen zu überspielen. Wir passen uns dem Umfeld an – egal ob es sich innerlich gut anfühlt oder nicht.

Es gibt Menschen, die können das (äußerlich) wirklich gut. Andere tun sich damit schwerer. In solchen Momenten kämpfen sie mit der Körperhaltung und senden unbewusst nonverbale Signale aus, die genau das Gegenteil von dem ausstrahlen, was sie gerade innerlich fühlen. Dies wird als inkongruente Führungskommunikation bezeichnet.1 Wenn das passiert, ist es auch für unser Umfeld spürbar und beeinflusst so die eigene Glaubwürdigkeit.

Doch in Zeiten, in denen Führungskräfte im Krisen-Bewältigungs-Modus stecken, ihre Teams virtuell (hybrid oder klassisch) führen und starken Belastungen ausgesetzt sind,  kann das “ECHTE” im Führungsverhalten nicht nur wirkungsvoll sein, sondern eine große Chance darstellen. Dies auf zweierlei Ebenen:

  1. Für mich selbst: Ich fühle mich entlastet, es wirkt befreiend und ist weniger anstrengend.
  2. Für meine Beziehungen mit anderen:
    Ich werde greifbarer, es entsteht mehr Nähe, Vertrauen und Verbundenheit.

Bloß keine Tränen im Job!

Nun zu meiner persönlichen Geschichte. Sie liegt zwar schon viele Jahre zurück, hat an Relevanz jedoch nicht verloren. Ich war schon einige Jahre Führungskraft, als ich in einem Teammeeting vor über 20 Mitarbeiter/Innen meine Emotionen nicht mehr zurückhalten konnte.

In der Zeit fühlte ich mich überfordert, war stark belastet und hatte große Sorge, dass sich mein Team von mir im Stich gelassen fühlt. Und da waren sie also… die TRÄNEN! Ich kommunizierte, dass ich ab sofort krankheitsbedingt für 6 Wochen nicht mehr hier sein werde. In der “High Season”, mitten im Aufbau einer neuen Digital-Einheit des Unternehmens. Gerade ICH, die nach Außen immer vor Stärke und Power strotzte!

Ich erklärte, dass es jetzt wichtig für mich sei, mich einige Wochen um meine Gesundheit zu kümmern und welches Gefühl meine abrupte Abwesenheit in mir auslöste. Sichtlich bewegt und berührt konnte ich am Ende noch etwas in diese Richtung verbalisieren: “Bitte bleibt dran. Eigenverantwortlich. Selbstorganisiert. Ich vertraue Euch und weiß, ihr schafft das.”

Puh, nach diesem Meeting ging es mir schlecht. Im ersten Moment spürte ich unendlich viel Scham. Aber auch Angst. Wie konnte ich in diesem Meeting nur weinen?! Bestimmt habe ich jeglichen Respekt und Professionalität verloren. Im zweiten Moment ist mir ein Statement von Sheryl Sandberg2, CEO Facebook, eingefallen:

Nehmt Euer ganzes Ich mit zur Arbeit und lasst Gefühle zu. Denn Gefühle mitzuteilen führt zu tieferen Beziehungen. Sie zu zeigen macht uns zu besseren Managern, Partnern und Kollegen. (gekürzt)

Das beruhigte zwar, aber noch zweifelte ich daran, dass meine Ehrlichkeit in Verbindung mit meinen Emotionen keinerlei Konsequenzen für mich haben sollte.

Wie Gefühle zu mehr Nähe führen können

Nach 6 Wochen kehrte ich zurück. Ich war gestärkt, voller Energie und doch nervös. Von verlorenem Respekt war nichts zu spüren. Ganz im Gegenteil! Ich hätte mir keinen herzlicheren Empfang vorstellen können. Inhaltlich blieb das Team während meiner Abwesenheit am Ball. Eigenverantwortlich. Und das machte mich unheimlich stolz.

Authentizität als Chance für mehr Leichtigkeit
Bild von Michael Schwarzenberger auf Pixabay

Von einigen Mitarbeiter/Innen habe ich im Nachgang Rückmeldungen erhalten, die mich heute noch berühren: Das Team habe mich vor 6 Wochen sehr ernst genommen. Meine Ehrlichkeit und Emotionen wurden nicht als Schwäche gewertet, sondern als echt und menschlich wahrgenommen. Viele fanden meine Kommunikation mutig. Das Meeting hätte mich greifbarer gemacht und habe wohl auch dazu geführt, dass mich keiner enttäuschen wollte. Alle hätten Gas gegeben.

Ein paar Monate später wurde ich befördert und fing an, den Bereich weiter aufzubauen und Nachwuchsführungskräfte zu entwickeln.

Die gesamte Erfahrung prägte definitiv mein weiteres Führungsverhalten, denn mir wurde bewusst, wie viel Kraft und Anstrengung ich oft verschwendete, meine verletzliche Seite und damit meine Schwächen zu verbergen. 

Gleichzeitig habe ich gelernt, dass Mitarbeiter/Innen sich mir gegenüber noch mehr öffnen, wenn auch ich bereit bin, mich selbst zu öffnen.

Heute schäme ich mich nicht mehr für diese Tränen. Sie waren eben da und kamen aus einer Verbundenheit zu den Menschen, mit denen ich tagtäglich voller Freude arbeitete. Natürlich möchte ich nicht suggerieren, dass Führungskräfte wöchentlich eine “Heulattacke” zum Besten geben sollten, denn es gibt auch Situationen, in denen zu viel Gefühl und fehlende Sachlichkeit absolut kontraproduktiv sind.

Nichtsdestotrotz möchte ich dazu ermutigen, dem ECHTEN im eigenen Führungsverhalten Raum zu geben, dabei im steten Kontakt mit sich selbst zu bleiben – auch wenn es ein Kraftakt ist, der viel Mut und immer wieder den kritischen Blick in den Spiegel erfordert.

In diesem Sinne: Let’s get real and

Neugierig geworden?

Das “and” folgt in meinem nächsten Blog-Artikel kommenden Dienstag. Hier greife ich ein aktuelles Beispiel für authentische Kommunikation im Top Management auf und reflektiere Gedanken zum Thema interne Kommunikation in Veränderungsphasen.

Übrigens: Das Thema Authentizität spielt auch in meinen (Online)-Leadership Coachings, meiner Kommunikationsberatung oder meinen unterschiedlichen Führungskräfte-Formaten eine wichtige Rolle!

  1. Miteinander Reden: Kommunikationspsychologie für Führungskräfte, Schulz von Thun []
  2. Lean in – Frauen und der Wille  zum Erfolg, Sheryl Sandberg []

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