Die Kommunikation mit unterschiedlichsten Kulturen kann in einer international aufgestellten Organisation als total inspirierend wirken und wie ein echter Innovations-Booster sein. Doch andererseits kann eine Multi-Kulti-Kommunikation zu ganz schön viel Frust, Ineffizienz oder Verwirrung führen. Dies zum Beispiel dann, wenn wir die kulturelle Vielfalt und die Unterschiedlichkeit, wie Menschen aus aller Welt „ticken“, wie sie ihre Kommunikationsbotschaften vermitteln und interpretieren, nicht zu würdigen wissen.
In diesem Blog Artikel gebe ich einen kleinen Einblick in meine Trainings zum Thema „Kommunikation und Feedback im interkulturellen Kontext“. Ein Thema, welches mich schon seit langer Zeit begleitet! Zum einen, weil mich meine Reisen in knapp 50 Ländern sowie das Leben und Arbeiten auf mehreren Kontinenten stark geprägt und manchmal auch extrem gefordert hat. Zum anderen natürlich auch, weil ich mich als Kommunikations- und Marketingexpertin oder als Führungskraft im internationalen Unternehmenskontext immer wieder mit folgenden Fragen beschäftigt habe:
- Welche Kommunikationsaspekte sind im interkulturellen Kontext wirklich von Bedeutung? Auf welche kulturgeprägten Gesprächsstile muss ich mich eigentlich einstellen?
- Welches kommunikative Bewusstsein sollte ich als Führungskraft im multikulturellen Umfeld mitbringen
- Welche innere Haltung und welches Wissen sollte ich für Feedbackgespräche mit Menschen aus aller Welt mitbringen, vor allem dann, wenn es um kritisches Feedback geht?
Einen greifbaren Blick auf interkulturelle Kommunikation habe ich erstmals bei Erin Meyer ((Erin Meyer, The Culture Map, 2016)) gefunden. Meyer ist Autorin von „The Culture Map“, Professorin INSEAD Business School und seit vielen Jahren Kultur-Expertin. Ihre Forschung kommt vor allem globalen Führungskräften zugute, um die Komplexität kultureller Unterschiede noch erfolgreicher zu meistern.
Eine Kundenanfrage im letzten Jahr hat mich dazu inspiriert, Trainings und Workshops für internationale Führungskräfte zu entwickeln. Inhaltlich konnte ich einerseits auf Meyer’s Erkenntnisse aufbauen und andererseits meine eigene internationale Erfahrung einfließen lassen. Und ganz ehrlich: Das hat echt verdammt viel Spaß gemacht! Vor allem deshalb, weil sich die konzipierten Inhalte erst im Training selbst so richtig dynamisch und lebendig entfalten konnten. Dies immer dann, wenn sich Teilnehmer/Innen aus unterschiedlichsten Kulturkreisen öffneten, um ihre eigenen Erfahrungen, Learnings und Herausforderungen einzubringen. Oft gaben die Diskussionen oder Kleingruppenarbeiten nicht nur wertvollen Zündstoff, sondern bestätigten vor allem einen meiner wichtigsten Grundsätze in Bezug auf interkulturelle Kommunikation:
„Wir müssen kulturelle Unterschiede in der Kommunikation und damit verbundene Unsicherheiten ‚besprechbar‘, spürbar und erlebbar machen. Was es braucht ist ein ehrlicher und transparenter Dialog, aber auch Neugier und Interesse sowie eine wohlwollende Haltung gegenüber einer anderen Kommunikationskultur, die schlichtweg ANDERS ist als meine eigene.“
Denn so kann „kulturelle Diversität“ im Unternehmen noch besser gelingen und damit zu mehr Effizienz, Innovation, Produktivität und – allem voran – gelingenden Beziehungen führen. Für eine Organisation kann es nur einen enormen Gewinn darstellen, wenn ihre Menschen lernen, das Verhalten anderer Kulturen zu entschlüsseln bzw. sich in ihrer eigenen Kommunikation zu reflektieren, um sich dann auf andere Kulturen einzuschwingen. Sich ausschließlich an kulturellen Stereotypen zu orientieren ist schlichtweg… zu einfach gedacht!
High Kontext und Low Kontext Kultur verstehen
Es mag sein, dass wir uns in unserer eigenen Kultur vielleicht als erstklassige Kommunikatoren positioniert haben. Doch was in der eigenen Kultur gut funktioniert, muss nicht unbedingt GUT mit Menschen aus anderen Kulturkreisen funktionieren. Um Missverständnisse und unnötige Konflikte in der interkulturellen Kommunikation zu minimieren, geht es mir zu Beginn eines Trainings erstmal darum, dass meine Teilnehmer/Innen ein Verständnis der beiden gegensätzlichen Kommunikationsstile in Kulturen erhalten. Die Unterscheidung von High Kontext und Low Kontext Kommunikation.
Kulturen mit einer kontextarmen Orientierung (Low Kontext) legen viel Wert auf direkte Kommunikation. Es soll gesagt werden, was gedacht und letztendlich gemeint ist. In diesen Kulturen ist gute Kommunikation klar, eindeutig, explizit und spezifisch. USA und Deutschland gelten beispielsweise beide als Low Kontext Kultur (wobei es zwischen zwei Low Kontext Kulturen natürlich auch nochmal große Unterschiede geben kann… das aber wäre nochmal ein ganz neuer Artikel 😉).
Interessanterweise sehen kontextarme (und selbstreflektierte) Kommunikatoren die Verantwortung für die korrekte Übermittlung ihrer Kommunikationsbotschaften bei sich selbst. Das heißt: „Wenn mein/e Gesprächspartner/In mich nicht versteht, ist es MEINE Verantwortung. Ich muss also meine Kommunikation so verändern, damit sie beim Gegenüber ankommt!“
Für Menschen mit einer kontextreichen Orientierung (High Kontext) ist das etwas anders. Für gewöhnlich gelten die eher beziehungsorientierten Gesellschaften als High Kontext – zum Beispiel asiatische, aber auch viele arabische und lateinamerikanische Länder. Hier dominiert eine eher indirekte Kommunikation, die implizit, subtil und vielschichtig ist. Heißt: Es muss nicht unbedingt alles immer explizit kommuniziert werden – viel wichtiger ist es, zwischen den Zeilen zu SPRECHEN, zu LESEN und zu HÖREN.
Auch die non-verbale Kommunikation spielt eine viel bedeutendere Rolle. Und wie wir wissen, birgt die nonverbale Kommunikation mindestens genau so viel Konfliktpotenzial wie die verbale oder paraverbale Kommunikation (z.B. Stimmlage, Lautstärke, Betonung, Aussprache, Sprechtempo).
Zudem hat SCHWEIGEN in kontextreichen Kulturen einen sehr hohen Stellenwert. Wenn Schweigen für mich als Deutsche total unangenehm wird und mir fast wie ein Breakdown der Kommunikation vorkommt, ist das für mein japanisches Gegenüber gerade ein goldener Moment. Und spätestens jetzt ist es an der Zeit, dass ich lerne, „die Luft zu lesen“.
Ein anderes simples Beispiel: Eine Führungskraft aus den Niederlanden, die sich der kulturellen Unterschiede nicht bewusst ist, könnte eine Mitarbeiterin aus China oder Japan als geheimnisvoll und zu wenig transparent einstufen und sie in einem Feedbackgespräch sogar unfair bewerten. Weil das Schweigen oder die kulturbedingte Zurückhaltung die Führungskraft triggert oder verärgert: „Diese Person schafft es einfach nicht effizient mit mir und im Team zu kommunizieren!“
Für global aktive Manager/Innen ist es also wichtig, ein Bewusstsein und ein Gespür für diese feinen Unterschiede und Nuancen zu bekommen. Denn nur so können sie faires Feedback geben und sich besser in ihre Gesprächspartner/Innen hineinversetzen, ihre Kommunikation mit Feingefühl anpassen oder sogar gemeinschaftlich mit ihrem Gegenüber entwickeln.
Die Kulturskalen als Reflexionstool: Interkulturelle Kommunikation
In meinen Trainings nutze ich auch die von Erin Meyer entwickelten Skalen, die zeigen, wie sich Kulturen entlang eines Spektrum von einem Extrem zum anderen unterscheiden. Sie funktionieren super, um Bewusstsein und Diskussion zu erzeugen und andererseits, die Teilnehmer/Innen in die Reflexion zu bringen und ihr Team auf neue Weise zu betrachten.
Die Skalen bilden Schlüsselbereiche ab, die Manager/Innen im interkulturellen Kontext beachten sollten. Insgesamt entstanden in Meyer‘s Forschungsarbeit acht Skalen:
- Vertrauen: auf der Arbeit beruhend vs. auf Beziehungen beruhend
- Überzeugen: von Prinzipien ausgehend vs. von Anwendungsfällen ausgehend
- Führen: egalitär vs. hierarchisch
- Entscheiden: im Konsens vs. von oben nach unten
- Widersprechen: konfrontativ vs. Konflikt vermeidend
- Termine vereinbaren: zeitlich linear vs. zeitlich flexibel
- Kommunizieren: kontextarm vs. kontextreich
- Beurteilen/Bewerten: direktes negatives Feedback vs. indirektes negatives Feedback
Die letzten beiden Skalen hatte ich im Rahmen meiner internationalen Projekte schon mehrmals im Einsatz – vor allem, wenn es thematisch um Feedback geben & nehmen in internationalen Unternehmen geht. (Übrigens: Mehr zum Thema Feedback und innere Haltung in einem meiner letzten Blog-Artikel)
Erin Meyer selbst erklärt dazu: “Kultur ist zu komplex, als dass man sie mit nur einer oder zwei Dimensionen sinnvoll messen könnte. Bei der Untersuchung des Verhältnisses von Menschen aus verschiedenen Kulturen zueinander kommt es nicht auf die absolute Position einer der beiden Kulturen auf der Skala an, sondern auf die relative Position der beiden Kulturen.“
Der Schlüssel laut Meyer ist also kulturelle Relativität. Die Unterschiede einer anderen Kultur müssen wir immer im Vergleich zu unserer eigenen sehen. Wenn ich ein Team habe, in dem viele verschiedene Kulturen kommunizieren und zusammenarbeiten, ist es dann natürlich auch wichtig ein Bewusstsein dafür zu haben, wie diese internationalen Kulturen sich gegenseitig wahrnehmen. Denn Ein/e Inder/In hat eine völlig andere Sichtweise und Wahrnehmung unserer deutschen Kultur als ein/e Amerikaner/In.
Anstatt also andere Kommunikationsstile immer nur zu kritisieren und davon auszugehen, dass unser eigener Stil der BESTE sein muss, können wir die Skalen nutzen, um die unterschiedlichen kulturgeprägten Kommunikationsstile in einer Organisation besser zu verstehen und interkulturelle Kommunikation „besprechbar“ zu machen.
Interkulturelles Feedback
Zunehmend spannend wird es in meinen Trainingsgruppen übrigens auch dann, wenn wir einen Blick auf die Beurteilen/Bewerten-Skala richten. Sie zeigt uns aus der Vogelperspektive, wie direkt (oder eben indirekt) Menschen in verschiedenen Kulturen mit Kritik umgehen. Und hier nehmen mehrere Länder plötzlich eine ganz andere Position ein als auf der Kommunikationsskala. Nur ein Beispiel: Die amerikanische Kultur landet dann nicht mehr ganz links in der „Low Kontext (direkten) Ecke“, sondern vielmehr in Richtung der „indirekten Kommunikation”, da viele Amerikaner aus ihrer Prägung heraus oftmals positive Botschaften nutzen, um negatives Feedback gut zu verpacken.
Neugierig geworden?
Um am Ende nicht zu viel Komplexität in einen einzigen Artikel zu verankern, belasse ich es erstmal an der Stelle und gehe nicht noch tiefer in die Skalen sowie die jeweiligen Strategien für funktionierende Multi-Kulti-Kommunikation. Dies wäre dann definitiv Teil 2 dieses Blog-Artikels!
In einem persönlichen Austausch erzähle ich gern mehr darüber. Außerdem freue ich mich über weitere Meinungen, frische Perspektiven oder Feedback zu diesem Artikel.
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